Dienstag, 25.08.2009
Keine Kerzen für die Seele von Marwa E. und ihr Ungeborenes. Keine Beileidbriefe an die ägyptische Botschaft. Die Mehrheit in meinem Umfeldkreis weiß nicht einmal genau, was in Dresden am 1. Juli passiert ist: dass die ägyptische Frau eines ägyptischen Stipendiaten im Landgericht Dresden von dem Angeklagten, vermutlich aus islamfeindlichen Gründen, niedergemetzelt wurde.
Der Schwerpunkt der deutschen Berichterstattung beschränkt sich auf die Abscheulichkeit der Gräueltat und das schockierende Paradox, dass die Bluttat im "Haus des Rechts" stattgefunden hat. Doch die muslimische Identität des Opfers bleibt im Hintergrund. Einige sagen, dass die Medien den kulturellen Hintergrund aus medienethischer Perspektive in solchen Fällen nicht betonen sollen. Ich frage mich, wo diese politische Korrektheit blieb, als ein deutscher Senior von zwei ausländischen Jugendlichen, darunter einer aus türkischer Abstammung, in einer Münchner U-Bahnhaltestelle vor einem Jahr brutal zusammengeschlagen wurde.
Als von den emotional explosiven Reaktionen bei den ägyptischen Massen während der Trauerfeier in Alexandrien berichtet wird, heißt es in der Süddeutschen Zeitung in der Überschrift "Wir wollen Vergeltung". Wieder eine bequeme Berichterstattung, die die starren Stereotype über "gewalttätige Muslime" nicht herausfordert. Denn die thematische Grundstruktur der Medienberichterstattung über den Islam in den deutschen Medien bleibt weiterhin verzerrt und von Gewalt dominiert. Die Muslime passen anscheinend eher in die Täterrolle, nicht aber in die Opferrolle. Es ist dieselbe Berichterstattung, die für die Annahme des in den Raum hereineilenden Polizisten gesorgt hat, dass er spontan auf den "arabisch aussehenden" Ehemann geschossen hat, nicht aber auf den "westlich aussehenden" Deutschlandrussen, der die Untat begeht.
Mir ist völlig bewusst, dass wir in einer Demokratie leben und dass eine Zensur gar nicht existiert. Sonst wäre dies nämlich meine spontane Erklärung für dieses "mediale Schweigen". Warum nehmen die Medien die Araber und Muslime nur als Täter, aber nicht als Opfer wahr? Warum nehmen die Medien durch ihre mangelnde Berichterstattung den Arabern und Muslimen ihr Recht auf eine öffentliche "Solidarisierungskampagne" und Sympathie? Denn bis auf die offiziellen, öffentlich wenig verbreiteten Erklärungen der Politiker und Gremien geht die ganze Geschichte regelrecht in den Medien unter. Zwar versuchen einzelne Kritiker des Feindbildes Islam, wie Dr. Sabine Schiffer, in der Pressemitteilung des Instituts für Medienverantwortung die Schieflage zu kritisieren, doch in den Mainstream-Medien bleibt kein Platz dafür.
Wenn die deutschen Medienmacher die Mängel in der bestehenden Berichterstattung über diesen Fall nicht einsehen, dann ist jegliche Diskussion um Reform in der Berichterstatttung zugunsten des "Dialogs der Kulturen" und eines "friedlichen Multi-Kulti" von Anfang an gescheitert.